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Nach Abschluss meines Vikariats befand ich mich in einer Phase der Neuorientierung. Obwohl ich die grundlegenden Schritte meines beruflichen Weges abgeschlossen hatte, verspürte ich den Wunsch, mich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln. Als ich von der Möglichkeit eines Spezialvikariats in der Seelsorge – dem sogenannten „Seelsorgejahr“ – erfuhr, war ich sofort interessiert. Diese intensive Weiterbildung mit individueller Begleitung durch eine Fachperson klang genau nach dem, was ich suchte. Über das Predigerseminar meldete ich mein Interesse an und führte ein Vorgespräch mit Pfarrer Rainer Häberlein, um gemeinsam zu klären, welches der drei KSA-Zentren – München, Nürnberg oder Würzburg – am besten zu mir passen würde. |
Meine Präferenz lag auf Nürnberg, und mein Antrag wurde bewilligt. Rückblickend war dies ein großer Glücksfall. Das Seelsorgejahr bot mir die Gelegenheit, meine Fähigkeiten auf mehreren Ebenen zu vertiefen und weiterzuentwickeln. Eine zentrale Rolle spielte dabei meine Mentorin, Pfarrerin Ulrike Otto, deren Supervision ich wöchentlich wahrnehmen durfte. Ihre fachliche Expertise, gepaart mit einer ausgeprägten Sensibilität für zwischenmenschliche und theologische Themen, hat mich nachhaltig geprägt. Sie schaffte es, einen Raum zu öffnen, in dem ich sowohl meine Stärken entfalten als auch meine Schwächen reflektieren konnte. Unter ihrer Anleitung konnte ich nicht nur meine seelsorgliche Kompetenz gezielt ausbauen, sondern auch in meiner Persönlichkeit wachsen und reifen. Die Zusammenarbeit im ökumenischen Team und der Austausch mit anderen Klinikseelsorger:innen brachten mich fachlich wie persönlich voran. Besonders prägend war mein Einsatz auf einer psychiatrischen Station, für die ich zuständig war. Diese Erfahrung eröffnete mir tiefe Einblicke in die Herausforderungen und Chancen der seelsorglichen Begleitung in einem sensiblen Arbeitsfeld. Neben den Besuchen, die ich eigenständig durchführte und reflektierte, gehörten auch Rufbereitschaften und Gottesdienste im Klinikum zu meinen Aufgaben. Ein besonderer Höhepunkt war der sechswöchige KSA-Kurs, den ich während des Spezialvikariats absolvieren durfte. Diese intensive Kombination aus Theorie, Praxis und Reflexion hat mich nicht nur fachlich, sondern auch in meiner Haltung gegenüber der Seelsorge tief geprägt. Seitdem bin ich ein großer Befürworter der KSA-Lernsetting, die mir ein strukturiertes und zugleich empathisches Vorgehen in der seelsorglichen Arbeit ermöglicht. Besonders wertvoll an diesem Jahr waren die Freiräume, die mir geboten wurde, um zu lesen, zu reflektieren und die gewonnenen Erkenntnisse zu diskutieren. Es war eine Zeit, in der ich mich intensiv mit grundlegenden Fragen meines Berufs und meines Selbstverständnisses als Pfarrerin auseinandersetzen konnte. Diese Erfahrungen haben meine theologische und berufliche Identität nachhaltig geprägt, und bis heute profitiere ich von den Einsichten und Erkenntnissen, die ich während dieser Zeit gewonnen habe. Für diese prägende Erfahrung bin ich zutiefst dankbar. Das Seelsorgejahr war nicht nur ein beruflicher Meilenstein, sondern ein zentraler Schritt in meiner persönlichen und theologischen Entwicklung. |